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Die Schaustücke, so unlängst im Kabinett FATALIA zu sehen gewesen, dienten zur Darbietung von Projektionen fragwürdiger Respektierlichkeit vor einer Menge Volkes, welches wohl besser Nutzen gehabt hätte von der ernsten Besinnung auf die zweifelhafte und ungewisse Bestimmung ihrer unsterblichen Seelen.

Johann Balthasar Apel / Der Neue Teutsche Merkur / Münster / 1785

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Wer im Vorbeigehen noch einen audiovisuellen Aperitif nehmen möchte, sollte es nicht versäumen, angelegentlich im Kabinett FATALIA einzukehren. Soweit der Ankündigung zu entnehmen ist, soll es sich diesmal nicht um FATALIAs "Projektionslabyrinth der Zukunft" handeln, das im gleichnamigen Manifest bekanntlich als "... der grosse Zauberer und Verzauberer ..." gefeiert wird, sondern um Transformationen illustrer Objekte mittels manipulierter Instrumente und unbotmässig umgelegter Schalter.

Aktuell wird ein Kooperationsprojekt namens "Silence fatal" realisiert, das Erkundungen in Spiegellandschaften unternimmt, die allein aus den Aktivitäten der Lebewesen entstehen,die sie bewohnen. Tatsächlich handelt es sich, was die räumliche Ausdehnung angeht, mehr um imaginäre Ländereien. Der Anspruch, den FATALIA auf diese Territorien erhebt, ist freilich ebenso real wie deren imaginäre Annexion oder den unmöglichen Versuch, die illusionäre Gegenwart des alten Roms zu erfassen.

Den jüngsten Beitrag zu diesem Projekt hat FATALIA mit einem "Schwarm" beigesteuert, den man gleichsam durch ein "microscope auriculaire" oder eine "lorgnette acoustique" betrachtet und belauscht. Ziel dieser Präsentation scheint nicht das Realisieren, sondern das Simulieren von Ideen zu sein. Gerade deshalb steckt in der Kompilation durchaus einiges wissenschaftliches Innovationspotential, das sich dem Umstand verdankt, daß FATALIA aus verschiedenen Quellen schöpft.

Wobei, à propos, der Reiz und die Qualität FATALIAs eigentlich durchaus darin liegt, daß bei aller Gestaltung auch seitens der Rezeption für die Imagination noch hinreichend Spielraum bleibt.

Johann Dermatt „Der virtuelle Audienzsaal“ / Sächsischer Merkur / 2008

interview

Was versteht man unter FATALIA -Machinen?

F: Möglichst komplizierte Konstruktionen (ursprünglich: mechanisch, pneumatisch und ggf. performativ – d.h. unter der vorab kalkulierten Einbeziehung von Handlungen mehr oder weniger unbeteiligt ins Geschehen geratender Menschen oder Tiere), deren Funktionszweck jedoch eigentlich ein ganz einfacher ist, sich also ebenso gut mit wenigen Handgriffen erledigen liesse.

Kann man FATALIA-Machinen auch bauen?

F: Jein. Bei FATALIA ist schon der Witz an der Sache, dass es sich um imaginäre Konstruktionen handelt, zumal sie oft mit so etwas wie hasard objectif operieren - etwas, das so passieren könnte oder müsste, damit die Maschine funktioniert.
Erwähnenswert ist speziell in diesem Zusammenhang sicher auch der seit 1959 (mit zeitweisen Unterbrechungen) jährlich stattfindende Suprematic Machine Contest, bei dem mittlerweile - und anders als bei FATALIA selbst - auch elektronische Elemente bzw. Computer zum Einsatz kommen.

Was heisst es, Spiegelräume zu imaginieren und mit diesen Imaginiationen im Realraum zu experimentieren?

F: Das Verhältnis zwischen Raum und Spiegel ist eine zentrale Komponente der Pseudowelt Über den Spiegel wird der Raum erfahrbar, imaginativer Raum wird durch ihn zeitlich wie räumlich strukturiert. Doch dieser Umstand wird selten bewusst erlebt, und genau hier setzt FATALIA an.

Was bedeutet eigentlich Fatalosphere?

F: Die Bezeichnung 'Fatalosphere' leitet sich unmittelbar vom Wort Atmosphäre ab und wird zudem durch die dem Material innewohnenden Gegebenheiten der Wunderkammer ergänzt. Im künstlerischen Schaffensprozess lässt sich das Spektrum der Wunderkammer in verschiedenste audiovisuelle Formen und räumliche Darstellungsmöglichkeiten transformieren. Hierbei verschmelzen Installation, Komposition, Darbietung und der situationsbedingte Zufall und verleihen der 'Fatalosphere' ihr Eigenleben.

Was läßt sich zum Thema der paraelektronischen Spiegelraumerkundung sagen?

F: Diese wunderbaren und wundersamen Konstruktionen sind ein guter Anlass, um einen recht wichtigen Strang perifärer Aktivitäten wieder hervorzuziehen und mal etwas systematischer auf ein Sondersammelgebiet einzugehen.
Mit dem Thema der paralektronoischen Spiegelraumerkundung zielt FATALIA auf das breite Feld von Künstlern, die unser Verständnis von kollaborativer und netzwerkbasierter Praxis weiterentwickeln und herausfordern. Angesprochen sind aber auch die überdisziplinären Adepten, konspirativen Höhlenforscher und verdeckten Taktiker, die die unausgesprochenen Verhaltensregeln und angenommenen Wahrheiten innerhalb unserer informationsgeleiteten Kommunikationskulturen und Glaubensstrukturen herausfordern, in Frage stellen, umgehen und unterlaufen. Unter Erforschung subversiver künstlerischer Methoden und Entwicklung (konter-)konspirativer Strategien sollen mit Paraelektronik neue Formen des Ausdrucks jenseits spiegeltheoretischer Diskurse offengelegt werden.

Das Interview führte Anton Hader / Linkselbischer Kurier / 2008